Gericht löst Pattsituation in Erbengemeinschaften auf
23.06.2025. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat einer Miterbin von mehreren Immobilien und Aktien im Wert von über einer Million Euro das Bürgergeld gestrichen und damit ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart bestätigt. Das berichtet die Fa. ErbTeilung aus Weilheim unter Berufung auf die Entscheidung. Der Fall hat vor allem für Erbengemeinschaften praktische Konsequenzen. Denn bisher war gegen Miterben, die wegen des Erhalts von Sozialleistungen kein Interesse an einem zügigen Verkauf der Erbschaftsimmobilie hatten, kein Kraut gewachsen.
Diese Erben wohnen meist selbst gegen eine geringe oder gar keine Miete in der Immobilie der Erbengemeinschaft und legen gegen jede Verkaufsabsicht der Miterben ihr Veto ein. Denn die Sozialämter mussten solange zahlen, bis die jeweilige Erbengemeinschaft die Erbschaftsimmobilie versilbert und das Geld an die einzelnen Erben verteilt hatte. Doch dieser Blockadehaltung hat jetzt das Landessozialgericht Baden-Württemberg einen Riegel vorgeschoben (Az.: L 2 AS 2884/24). Wer erbt, muss das Jobcenter sofort vollumfänglich über die Erbschaft informieren. Liegt der Erbschaftswert über dem Schonvermögen von 40.000 Euro und kann der Erbe von dem geerbten Vermögen seinen Unterhalt selbst bestreiten, müssen die Behörden die Auszahlung von Sozialleistungen stoppen. Gerät der Miterbe dadurch in kurzfristige Liquiditätsschwierigkeiten, muss er laut der Sozialrichter zur Not seinen Erbanteil sofort verkaufen oder verpfänden und darf als wohlhabender Erbe keine staatlichen Sozialleistungen mehr in Anspruch nehmen.
Entscheidung erhöht den Druck auf Blockierer
„Das Urteil ist für Mitglieder von Erbengemeinschaften sehr erfreulich. Denn es hilft, die Pattsituation in Erbengemeinschaften aufzulösen, weil einzelne Miterben die Aufteilung und Verwertung der Erbschaftsimmobilien künstlich in die Länge zogen, um weiter Bürgergeldleistungen zu empfangen. Diese Praxis gehört nun der Vergangenheit an, weil die neue Entscheidung den Druck auf die Blockierer erhöht, endlich aktiv zu werden “, kommentiert Manfred Gabler, Geschäftsführer der Fa. ErbTeilung, den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg. Das Unternehmen hilft einzelnen Erben, möglichst schnell aus zerstrittenen Erbengemeinschaften herauszukommen. „Entsprechende Werthaltigkeit vorausgesetzt bieten wir auch Bürgergeldempfängern an, ihren Erbanteil vorab zu kaufen oder sie mit einem Sofortdarlehen zu unterstützen, damit sie dem Sozialstaat nicht länger auf der Tasche liegen müssen“, sagt Gabler. Leider sei es derzeit so, dass auch die Sozialämter über diese Lösungsmöglichkeiten bei Erbengemeinschaften nicht ausreichend informiert seien.
Reiche Erbin klagt Bürgergeld ein
In dem Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hatte eine Frau über 15 Jahre lang Bürgergeldleistungen erhalten. Als sie 2019 gemeinsam mit ihrer Schwester mehrere Immobilien in Stuttgart und ein Wertpapierdepot im Gesamtwert von über 1,2 Mio. Euro geerbt hatte, nahm sie mehrere Darlehen im sechsstelligen Bereich auf, um die Wohnungen zu renovieren und danach zu verkaufen oder zu vermieten. Gleichwohl beantragte sie weiterhin Bürgergeld. Begründung: Solange die Wohnungen nicht renoviert seien, könnten sie auch nicht verkauft bzw. vermietet werden. Im Übrigen sei die Erbengemeinschaft noch nicht aufgelöst, so dass sie allein nicht über die Vermögensgegenstände verfügen dürfe.
Erbin nach Ansicht des Gerichts „ausgesprochen wohlhabend“
Weil das Jobcenter dieser Argumentation nicht folgte und Bürgergeldleistungen ablehnte, zog die Erbin vor das Sozialgericht Stuttgart. Doch die Klage hatte keinen Erfolg. Die Stuttgarter Richter stellten fest, dass die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen sei, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem, verwertbaren Vermögen habe decken können. Sie sei zur Hälfte Miterbin geworden, sodass ihr ein Vermögen von 642.017 Euro aus dem Nachlass zugestanden habe. Dieses Vermögen habe den der Klägerin und ihrer Tochter zustehenden Freibetrag von insgesamt 13.300 Euro zum Zeitpunkt der Antragstellung deutlich überstiegen. Entgegen der Ansicht der Erbin seien bei der Ermittlung des einsetzbaren Vermögens nicht nur Barmittel oder Wertgegenstände, die sofort verkäuflich gewesen seien, zu berücksichtigen. Hierfür finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt, betonte das Sozialgericht Stuttgart. Vielmehr sei das Vermögen zu berücksichtigen, wenn es so deutlich oberhalb der Vermögensfreigrenzen liege, dass für jedermann offenkundig sei, dass die Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht gerechtfertigt sei. Dies sei bei der hälftigen Beteiligung an einer Erbengemeinschaft an einem Nachlass mit einem Wert von deutlich über 1 Mio. Euro der Fall. Personen mit einem solchen Vermögen würden allgemein nicht nur als nicht hilfebedürftig, sondern als ausgesprochen wohlhabend in der Bevölkerung angesehen.
Immobilien hätten auch unrenoviert verkauft werden können
Dieses Vermögen sei auch verwertbar gewesen, führten die Stuttgarter Sozialrichter weiter aus. Die Argumentation der Klägerin, sie habe über die Wohnungen aufgrund der Miterbengemeinschaft nicht verfügen können und diese seien unrenoviert nicht verwertbar gewesen, trage nicht. Zum einen habe ihr Vermögen ausweislich des Erbauseinandersetzungsvertrages nicht nur aus diesen Immobilien bestanden. Der Nachlass habe vielmehr auch Wertgegenstände wie die Depots im Wert von 92.034 Euro beinhaltet, die sofort zur Verwertung durch die Erbengemeinschaft bereitgestanden hätten. Zum anderen hätten die Wohnungen bereits im unrenovierten Zustand einen erheblichen Verkehrswert gehabt, sodass eine noch nicht durchgeführte Renovierung kein Verwertungshindernis dargestellt habe.
Kein Bürgergeld bei möglichem Verkauf oder Verpfändung des Erbteils
Auch sei bei noch ungeteilter Erbengemeinschaft grundsätzlich eine Verwertung durch Veräußerung des Miterbenanteils möglich. Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs oder auch durch eine Verpfändung des Miterbenanteils hätten nicht bestanden. Solange die Erbengemeinschaft ungeteilt fortbestehe, könne der einzelne Miterbe zwar nicht über einzelne Nachlassgegenstände, jedoch über seinen Anteil an dem Nachlass als solchen verfügen. Vor der abschließenden Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft könnten die Miterben über einzelne Nachlassgegenstände gemeinschaftlich verfügen. Im Übrigen sei die Miterbin hier zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bereit gewesen, nur hätten die Bedingungen dafür ausgehandelt werden müssen. Die Auseinandersetzung und Verwertung der Immobilien durch Zwangsversteigerung nach § 753 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. §§ 180 ff des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, auf die das Jobcenter als weitere Verwertungsmöglichkeit hingewiesen habe, sei insofern nicht notwendig gewesen.
Landessozialrichter bestätigen das Urteil vollumfänglich
Die Erbin überzeugte diese Argumentation nicht und zog weiter vor das Landessozialgericht Baden-Württemberg. Doch die Landessozialrichter bestätigten das Urteil des Sozialgerichts vollumfänglich und führten ergänzend aus, dass von einer Verwertbarkeit der Vermögensgegenstände auszugehen sei. Es bestünden keine rechtlichen Verwertungshindernisse. Auch rein tatsächlich seien sie verwertbar, d.h. für sie könnten in absehbarer Zeit Käufer gefunden werden, weil Gegenstände dieser Art marktgängig seien. Die Verwertung bringe für die Miterbin auch einen Ertrag, durch den sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könne.
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